Im Auge des Sturmes entspannen

Draußen tobt ein kräftiger Sturm. Er rüttelt an den Bäumen, wirbelt die Blätter zu Boden. Es pfeift durch die Fenster. Kräftiger Regen peitscht an die Scheiben. Du sitzt auf dem Sofa. Es ist angenehm warm im Zimmer. Deine Beine sind in eine kuschelige Decke gehüllt. Das Buch, das du zuvor gelesen hast, liegt aufgeschlagen auf deinen Beinen. Auf dem Tisch neben dir dampft frisch gekochter Tee. Du schaust aus dem Fenster und fühlst dich, trotz des Sturmes, der draußen tobt, behaglich. Völlig unaufgeregt sitzt du da und beobachtest das Geschehen. Obwohl der Sturm vor deinem Fenster tobt, bist du innerlich in Frieden.

 

Draußen tobt ein Sturm. Klimahysterie, Inflation, Krieg, Migration, Krankheit, Notstand, persönliche und private Krisen, Trennungen, Umbrüche usw. Eine Krise folgt der nächsten. Alles steht kopf. Kein Stein steht mehr auf dem anderen. Das, was einst Bestand hatte, wird über Bord geworfen und durch neue Trends und Marschrichtungen ausgehebelt. Im Mühlrad der letzten Jahre wurden die Kraft des Zusammenhalts zerrieben. Erschöpfung und Leere stehen den Menschen ins Gesicht geschrieben. Keine Ruhepause ist in Sicht. Das Mühlrad dreht sich weiter und der Wind frischt erneut auf. Die Bäume der Sicherheit, der Vollversorgung und des Abgebens an die Führung schwanken bedrohlich im scharfen Wind. Auch du wirst vom Wind erfasst und lässt dich hin und her biegen. Dein Blätterdach ist ausgedünnt, die dünnen Äste brüchig geworden. Im Gebälk deiner Wurzel knirscht und knackt es bedenklich. Dich aufrecht zu halten, kostet dich viel Kraft. Es bedarf nicht mehr viel, dann reißen deine Wurzeln aus dem Boden. Du bist zum Spielball des Windes geworden und aus eigener Kraft kaum noch in der Lage, dich zu stabilisieren. Jede neue Nachricht, die dir zu geblasen wird, fährt dir tief in die Struktur und nimmt dir den Rest an Bodenhaftung.

 

Unbemerkt hast du das Äußere zu deinem inneren Erleben gemacht, hast die Krisen in dich hineingeholt und sie zu deiner Wirklichkeit werden lassen. Der Sturm tobt schon lange nicht mehr vor deinem Fenster, er tobt in dir. Du bist nicht der Betrachter des Sturmes, sondern der Ort an dem, der Sturm ausgetragen wird.

 

Doch was wäre, wenn du das, was außen ist, auch im Außen lassen würdest? Wenn du beginnen würdest, dich nicht auf die Bedrohung, sondern auf all das Schöne zu fokussieren, das dich jederzeit umgibt? Wenn du anfängst, wahrzunehmen, was dein Leben schön, bunt und lebenswert macht? Wenn du dich auf die kleinen Gesten und freudvollen Momente besinnen würdest? Wenn du dankbar wärst, für das, was da ist? Ein Dach über dem Kopf, ein Sofa auf dem du sitzen kannst, ein warmer Tee, eine Decke über den Beinen und etwas zu Lesen.

Wenn du dich ganz bewusst dafür entscheiden würdest, die Stürme im Außen zwar wahrzunehmen, sie jedoch zukünftig nicht mehr zu deinen inneren Stürmen werden zu lassen. Wenn du dich vielmehr darauf besinnen würdest, ein wachsamer Beobachter zu sein, der das, was er wahrnimmt, als eine Erscheinung unter vielen einzuordnen lernt.

 

In jedem von uns gibt es einen Ort, in dem wir zu einem wachsamen Beobachter werden können. Einen Ort, an dem wir uns uneingeschränkt behaglich fühlen. Du kannst lernen, dich auf diesen Ort zu besinnen und Ruhe und Zuversicht darin zu finden. Du erreichst ihn, indem du deinem Atem folgst. Der Atem führt dich in dich hinein und weist dir den Weg. Er fühlt dich in deine innere Mitte. Folgst du der Spur des Atems von der Nase beginnend und gibst dich mit aller Aufmerksamkeit in ihn hinein, so wirst du feststellen, dass alles andere, dass vorher Wichtigkeit und Belang hatte, unwichtig wird. Es verschwindet, löst sich auf und wird zu einer Erscheinung in der Vielzahl der Erscheinungen, die als Wahrnehmungen in deinem Bewusstsein auftauchen. Mühelos leitet dich der Atem in dein Zentrum, lässt dich dort verweilen, wenn du magst, lässt dich erfahren, dass es nichts braucht und alles schon da ist, was du benötigst, um dich in dir selbst sicher und behaglich zu fühlen.

 

Immer dann, wenn du glaubst, eine äußere Erscheinung hätte mehr Bedeutung als der Fokus auf deinen Atem, lenke die Aufmerksamkeit auf ihn und du wirst spüren, dass nur das an Bedeutung gewinnt, dem du Bedeutung schenkst. In dieser Haltung wird sich jeder Sturm legen, jede Welle sanft ausrollen und jeder Unfrieden sich in Frieden wandeln.

 

Wenn du in deine Mitte eintauchst und in ihr verweilst, wirst du erkennen, dass Anfang und Ende allen Friedens und aller Harmonie in dir selbst beginnt.

 

 

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