„Ich habe Angst!“, sagt der Erste, „Angst vor der totalen Überwachung, vor Manipulation, vor der Zerstörung der Demokratie, habe Angst vor der Allmacht der Machthaber, Angst vor Diktatur.“
„Ich habe Angst!“, sagt der Zweite, „Angst vor dem Virus, Angst beatmet werden zu müssen, Angst zu sterben oder jemand anderes anzustecken.“
„Ich habe Angst!“, sagt der Dritte, „Angst davor, dass ich mein Leben nicht mehr bestreiten kann, dass ich finanziell am Boden bin, meine Existenzgrundlage verliere und in die Armut abrutsche.“
„Ich habe Angst!“, sagt der Vierte, Angst, dass meine Kinder einen irreparablen Schaden davon tragen, dass sie in eine ungewisse Zukunft hineinschlittern und die Bildungsdefizite nicht mehr aufzuholen sind. Ich habe Angst, dass sie durch die Isolation und die Maßnahmen einen psychischen Schaden erleiden.“
„Ich habe Angst!“, sagt der Fünfte, „Angst davor, dass meine Menschenwürde verletzt wird, dass Zwang an meinem Körper ausgeübt wird und ich gegen meinen Willen geimpft werde. Ich habe Angst vor Denunziation, vor sozialem Druck und Ausgrenzung, wenn ich mich nicht impfen lassen.“
„Ich habe Angst!“, sagt der Sechste, „Angst, dass diese Krise zum Untergang der Menschlichkeit führt, Angst davor, dass die Gesellschaft sich spaltet und wir einander nicht mehr zuhören und intolerant werden, Angst davor, dass uns jegliche Empathie und das Miteinander verloren gehen, dass wir keine Achtung und keinen Respekt vor einander haben.“
Findest du dich darin wieder oder sind deine Befürchtungen ganz andere? Vielleicht sagst du aber auch, dass du gar keine Angst hast und einfach nur willst, dass alles endlich wieder so ist wie früher. Doch was denkst du, welche der aufgeführten Ängste ist dir am nächsten, welche die Schlimmste?
Glaubst du, dass es möglich ist, eine Angst mit einer anderen zu messen oder zu vergleichen? Glaubst du, dass irgendjemand in der Lage ist zu beurteilen, welche Angst die Schlimmste ist? Glaubst du, dass es Ängste sind, die die derzeitige Lage bestimmen?
Angst ist ein irrationaler Zustand, der dem Verstand nur bedingt zugänglich ist. Es ist eine Gefühlsregung, die durch unsere Prägungen und Erfahrungen genährt und unterhalten wird. Angst lässt sich weder schönreden noch wegquatschen und erst recht nicht miteinander vergleichen.
Es gibt keine schlimmere oder weniger schimmere Angst, sondern dass, was wir empfinden, ist aus unserer eigenen Sicht absolut. Wenn wir uns im Zustand der Angst befinden, dann betrachten wir unsere Welt durch die Brille unserer eigenen Angst und sehen nur das, was mit ihr in Verbindung steht. Der, der Angst vor Krankheit hat, sieht die Intensivstationen. Der, der Angst vor dem Tod hat, sieht die Särge. Der, der Angst vor sozialem Abstieg hat, richtet seinen Blick auf die finanziellen Missstände usw.
Dem der Angst hat nützt es nichts, wenn man ihm sagt, er möge keine Angst haben oder er solle sich nicht so anstellen, denn seine Angst sei unbegründet. Angst ist wie gesagt irrational und dem Verstand nur bedingt zugänglich. Sie ist ein Gefühl! Die Angst braucht Sicherheit, damit sie abklingen kann. Das ist auch der Grund, weshalb so viele Menschen den Tests hinterherlaufen und warum sie sich unbedingt impfen lassen wollen. Sie suchen nach Sicherheiten, nach Halt und greifen nach jedem Strohhalm – ob es sinnvoll ist oder nicht, diese Frage kommt gar nicht erst auf.
Angst zu haben, fühlt sich nicht gut an. Sie macht innerlich unruhig und unleidlich. Um die Angst nicht zu spüren, lenken wir uns ab, schauen Netflix, surfen unablässig im Netz und chatten, was das Zeug hält. Doch wie sehr wir auch versuchen, die Angst zu verdrängen, sie bleibt bestehen. Still und leise arbeitet sie im Hintergrund und steigt, sobald wir zur Ruhe kommen, aus den Tiefen unseres Seins auf. Sie ist es, die unser Denken und Handeln lenkt.
Für ein gesundes und harmonisches Miteinander ist es allerdings wenig sinnvoll, die Ängste anderer Menschen zu verurteilen oder zu belächeln. Es macht wenig Sinn, Testkäufer als Spinner abzutun, Impfvordrängler und Maskengegner als unsolidarisch hinzustellen oder Kritiker der Maßnahmen als Aluhutträger zu bezeichnen und ihnen krudes Gedankengut zu unterstellen. Es macht wenig Sinn, den besorgten Eltern weismachen zu wollen, dass ihre Kinder es schon schaffen werden und denen, die am Rande der Existenz stehen, einzureden, dass es andere gibt, denen es sicher noch schlechter geht. Sich gegenseitig zu verurteilen ist wenig hilfreich, denn all die Menschen haben eines gemeinsam, sie haben Angst. Sie schauen alle auf dasselbe Chaos, nur aus einer anderen Perspektive – nämlich durch ihre eigene angstgefärbte Brille.
Und wie soll die Angst ein System verlassen, wenn sie jeden Tag auf ein Neues mit bedrohlichen Nachrichten gefüttert wird? Wie soll Sicherheit und Wohlgefühl in eine Gesellschaft und in die Menschen einkehren, wenn die Unsicherheiten ständig befeuert und aufrechterhalten werden?
Angst ist die Grundlage für Manipulation, denn wer Angst hat, dem fehlt die Fähigkeit zu abstrahieren. Aber wenn wir nicht mehr abstrahieren können, dann können auch nicht mehr unterscheiden, was Wahrheit und was Lüge ist. Ungefiltert fallen die Informationen in unser System ein und verstärken die bestehende Angst auf ungute Weise. Angst ist die Grundlage für Hass, für Ausgrenzung, Denunzierung und Verurteilung. Angst stärkt die Bereitschaft Zwang, Kontrolle und Bevormundung über sich ergehen zu lassen.
Angst macht krank! - nicht nur jeden Einzelnen, sondern auch eine Gesellschaft und sogar die ganze Welt. Angst ist die wahre Seuche dieser Zeit.
Wir täten gut daran, den anderen nicht abzuwerten, seine Angst nicht klein und die eigene groß zu machen, sondern einander zuzuhören, vor allem in einer Zeit, in der das Miteinander, der Austausch und der Diskurs das Allerwichtigste sind. Wir täten gut daran mitzufühlen, anstatt zu verurteilen und vehement dagegen zu sein. Wir täten gut daran, der Haltung eines anderen offen und vorurteilsfrei zu begegnen, ihm zuzugestehen, dass er aus seiner Perspektive ebenso recht hat wie ich aus meiner. Wir täten gut daran, jedes Gegenüber als Freund und nicht als Feind anzusehen. Wir täten gut daran, gemeinsam für das Wohl aller Menschen einzustehen und nicht darauf zu hoffen, dass es andere für uns tun.
Wir täten gut daran, der eigenen Angst ins Auge zu schauen und nicht darauf zu bauen, dass die Ablenkungen bald wieder so zahlreich sind, dass wir uns selbst nicht mehr spüren müssen.
Wir täten gut daran, die Sicherheiten nicht im Außen zu suchen, sondern uns auf uns selbst einzulassen und zu erkennen, welche Empfindungen uns aus dem Inneren heraus lenken. Wir täten gut daran, all dem, was in uns und um uns herum wirksam ist, liebevoll zu begegnen.
Wir täten gut daran, diese Zeit zu nutzen.