Allmacht

Ich fühle mich wie ein Kind, das von seinen Eltern belogen wird. Es gibt ein großes Geheimnis, das hinter allem steht, ich kann es spüren, aber nicht fassen. Ich stelle Fragen, doch statt mit Antworten werde ich mit den immer gleichen Sätzen abgespeist. Das macht mir Angst.

 

Wenn meine Unsicherheit am größten ist, heißt es: „Sei still und frag nicht. Wenn du brav bist und tust, was wir dir sagen, dann ist es bald vorbei!“ Ich schaue ihnen beim Sprechen zu und obwohl ich ihre Münder nicht sehen kann, weiß ich doch, dass diese eine andere Wahrheit sprechen als ihre Augen. Mein Herz verkrampft sich. Ich spüre, dass etwas nicht stimmt und mir wird übel. Ich habe Angst und bekomme Bauchschmerzen. Sie sehen, dass ich zu zittern beginne. Meine Unterlippe bebt, wenn ich sie nach dem Warum frage. Bedrohlich bauen sie sich dann vor mir auf und sagen: „Schweig! Wir meinen es gut mit dir. Es gibt nur diesen Weg und wenn du artig bist, dann wird alles gut, doch wehe, du tust nicht, was wir dir sagen, dann bist du schuld, wenn etwas Schlimmes passiert.“ Ich schlucke hart und spüre die Macht, die hinter diesen Worten steht. Sie ist absolut und erlaubt keinen Widerspruch. Mein Magen dreht sich um.

 

Manchmal versprechen sie mir Süßigkeiten, die ich bekomme würde, wenn ich das tue, was sie sagen, doch im selben Satz drohen mir alles wegzunehmen, wenn ich etwa falsch mache. In meiner Not möchte ich Freunde treffen, möchte sie berühren, möchte mich ihnen nahe fühlen, doch ich darf niemanden treffen, das ist verboten. Es macht alles nur schlimmer, sagen sie. Dann fühle ich mich schlecht und habe ein schlechtes Gewissen, dass ich etwas vermisse, was verboten ist. Ich darf auch nicht mehr laut lachen oder singen, sagen sie, nur noch Fernsehen ist erlaubt.

 

Sie sperren mich ein und sagen mir, das sei das Beste für mich und auch für die anderen. Aber das Einsperren tut mir weh, es macht mein Herz ganz wund. Manchmal bin ich dann wütend, doch meistens bin ich traurig und verstehe nicht, was vor sich geht. Ich spüre, dass sie nicht ehrlich mit mir sind und frage mich, ob ich ihnen noch vertrauen kann. Aber ich muss es, denn ich habe keine Wahl.

 

Niedergeschlagen sitze ich still. Sie sehen es und wollen mich aufheitern und sagen: „Alles wird gut, wir haben die Lösung, bald wird alles besser sein.“ Wieder schaue ich sie an und sehe, wie die Schamesröte ihre Gesichter überzieht. Eiskalt läuft es mir den Rücken herunter. Was soll ich tun, ich bin klein und sie sind groß. Ich mache das, was sie mir sagen, denn ich habe Angst und sie haben die Macht. 

 

Perspektivlos - Eine Erfahrung