Achtung Quacksalber!

Die Hexenjagd des 21 Jahrhunderts geht weiter. Wieder einmal steht das Berufsbild der Heilpraktiker im Fokus – dieses Mal zur besten Sendezeit am 09.11.2020 um 20:15 Uhr gleich nach der Tagesschau in der ARD. Wieder scheint ein Bauernopfer fällig, eines, das in diesen unruhigen Zeiten die Spaltung der Gesellschaft noch weiter vorantreibt. Die Hetze gegen den alternativ-medizinischen Bereich weitet sich auf ungesunde Weise aus und scheint ganz wunderbar zu der derzeitigen Ausgrenzung Andersdenkender zu passen und das Bild gegen alternativ orientierte Menschen zu komplettieren. Es wirft die Frage auf, ob Heilpraktiker/innen die Sündenböcke der neuen Zeit sind, ob sie es sind, die Stimmung machen, oder ob gegen sie Stimmung gemacht wird?

 

Was könnte das Ziel einer solchen Kampagne sein?

So, wie wir es derzeit erleben, folgt die Denunzierung einer Gruppe dem üblichen Trend. Sie soll Zwietracht säen zwischen der langläufigen und einer differenzierten Meinung. Sie soll gewogen machen für alles, was in den nächsten Wochen und Monaten auf uns zukommen wird. Sie soll die Gemeinschaft der Konformen gegen die Andersdenken stärkten. Sie soll uns daran hindern, Position zu beziehen und eine eigene Meinung auszubilden.

 

Es sollte nicht immer wieder eine Rechtfertigung für die Tätigkeit des Heilpraktikers nötig sein, nicht immer wieder darauf hingewiesen werden müssen, dass der Überprüfung durch das Gesundheitsamt ein fundiertes medizinisches Wissen aus allen medizinischen Bereichen nötig ist und auch nicht, dass der Beruf niemals als Erstberuf, sondern zumeist von Menschen ausgeübt wird, die eine vorhergehende Ausbildung in einem medizinnahen Bereich absolviert haben. Und doch scheint es unabdingbar immer wieder darauf hinzuweisen, dass es sich bei den Ausübenden der alternativen Heilkunde nicht um Quacksalber handelt.

 

„Je­den Tag be­ge­ben sich über 128 000 Pa­ti­en­ten in die Behandlungen der rund 47 000 Heilpraktiker/innen, die in Deutschland tätig sind. Dazu kom­men 6900 Ärzte, die über eine von den Ärz­te­kam­mern an­er­kann­te Zu­satz­wei­ter­bil­dung in Ho­möo­pa­thie ver­fü­gen, rund 14 400 bie­ten Aku­punk­tur an und mehr als 16 000 Na­tur­heil­ver­fah­ren.“

 

Obwohl die Arbeit der Heilpraktiker/innen wertgeschätzt wird und die Menschen dankbar für die Alternativen zur Allopathie sind, findet nun ein erneuter Großangriff auf einen Berufsstand statt. Nicht nur die Tätigen selbst, sondern vor allem die Menschen, die Hilfe und Unterstützung in der alternativen Medizin suchen, werden darin zu Opfern degradiert. Sie werden ihrer freien Entscheidungskompetenz beraubt und als passive, meinungslose Dummchen hingestellt, die allesamt nicht wissen, was sie tun. All die gutgläubigen Menschen, die sich der Naturheilkunde zugewandt haben, werden aus der Sicht der Kritiker mit falschen Hoffnungen geködert, mit Hokuspokus verblendet und damit aus dem sicheren Hafen der klassischen Medizin gelockt und ins Unglück geführt.

 

Was steht hinter der drastischen Verurteilung?

Es wird offensichtlich, dass die Menschen sich nicht mehr von oben herab, sondern auf Augenhöhe beraten und begleiten lassen, dass sie in ihrer Ganzheit gesehen und behandelt werden möchten.

Es scheint, dass die Gegner der Alternativmedizin um den Stellenwert und den Einfluss der konservativ westlichen Medizin bangen, ansonsten würden sie sich nicht für ein Verbot, sondern vielmehr für die Zusammenarbeit unterschiedlicher medizinischer Disziplinen einsetzen. Dafür plädieren zum Wohle des Patienten an einem Strang zu ziehen, sich mit Wissen und Ansichten gegenseitig zu bereichern, sich gut miteinander zu vernetzen, um gemeinsam das Beste für die Genesung des Patienten zu erarbeiten. Doch da dies scheinbar nicht der Wunsch ist, erlaubt es den Schluss, dass die Gegner der Alternativmedizin von Angst geleitet werden. Angst, dass sich die Menschen von den konservativen westlichen Verfahren abwenden und sich einen Weg suchen, den sie für sich selbst für gut und richtig befinden. Es ist nicht die Macht der Heiler, die bedrohlich ist, sondern die schwindende Macht der „Halbgötter in Weiß“, die als bedrohlich empfunden werden kann. Aufmüpfige Patienten, die mit einem Arzt oder einer Ärztin über die Wirksamkeit von allopathischen Präparaten sprechen, gar diskutieren möchten, passen weder in das Weltbild der komplementären Medizin noch in eine konservative Arztpraxis und auch nicht in den derzeitigen Tenor der Meinungsbildung.

 

Selbst wenn die Naturheilkunde und die Homöopathie sich längst als Wahlfächer in den Universitäten etabliert haben, wird immer noch mit aller Macht versucht die Präsenz der Ganzheitlichkeit zu verdrängen. Dabei fördern alternative Therapien - und das scheint der zentrale Dorn im Auge der Kritiker zu sein - die Selbstwahrnehmung, das Fühlen und vor allem das Selberdenken, das Stellung zu beziehen, die Verantwortung für den Körper zu übernehmen und auch die eigene Genesung mitzugestalten. Doch sich selbst zu fühlen, schadet der allgemeinen Folgsamkeit wohl eher, als es der Gesundheit dient und so lässt sich mutmaßen, dass die Kritiker die alternative Medizin lieber aus dem Gesundheitssystem verbannen würden, anstatt sie zu integrieren.

 

Wir haben die Wahl!

Auch wenn wieder einmal zum Kampf gegen die „Kügelchenfreunde“ aufgerufen und mit harten Bandagen gekämpft wird, so hoffe ich doch sehr darauf, dass die Menschen ihren eigenen Verstand einschalten und weiterhin ihrem Bauchgefühl vertrauen. Denn die zahlreichen Menschen, die seit vielen Jahren ihre/n Heilpraktiker/in aufsuchen, werden sich von Parolen nicht abhalten lassen und sich weiterhin denen anvertrauen, die sich mit Herz, Verstand, Wissen und Können um ihre Genesung bemühen.

 

Bislang - und das ist auch gut so - haben wir durch die Vielzahl der medizinisch fundierten Angebote die Möglichkeit zu probieren und zu wählen, um herauszufinden, was dem eigenen Wohlbefinden dient. Wir haben die Möglichkeit, Therapieformen allopathischer und alternativer Art zu kombinieren, um sie auf unserem Genesungsweg miteinander wirksam werden zu lassen. Denn Gesundwerdung ist sicher das Ziel aller Ansätze, doch vor allem ist die Gesundwerdung ein Weg. Ein Weg, den wir selbst beschreiten müssen, für den es weder ein Rezept noch Allgemeingültigkeit gibt. Wir, die mündigen Bürger, müssen selbst herausfinden, wem oder was wir unser Vertrauen schenken, welche Schritte wir gehen möchten und was für uns selbst das Richtige ist. Dabei können Ärzte und Therapeuten jeglicher Art uns hilfreich zur Seite stehen, uns beraten, begleiten und auch mit unterschiedlichen Ansätzen behandeln, so wir es wünschen. Niemand muss an die Wirksamkeit alternativ-medizinischer Therapien und Verfahren glauben, wenn er nicht möchte, doch muss man ihm die Wahl lassen, selbst zu entscheiden!

 

Die konträren Haltungen und verhärteten Fronten fördern nur den Kampf und reißen die Kluft, die sich zwischen den konservativen und alternativen Sichtweisen auftut, tiefer ein und folgen damit dem aktuellen nationalen Trend. Leider verhindert das vehemente Dagegensein jegliches Miteinander. Wir alle tun gut daran, unsere begrenzenden Sichtweisen zu lockern, unser Herz zu öffnen, zu fühlen und die Vielfalt des Lebens schätzen zu lernen!

 

Erschienen in Heilnetz am 20.11.2020